
Wer einen wichtigen Beitrag in der Gesundheitsversorgung leisten möchte und eine Alternative zum Medizinstudium sucht, findet mit dem Studium Physician Assistance einen neuen medizinnahen Gesundheitsberuf. Prof. Dr. Kirsten Bodusch-Bechstein ist Studiendekanin für die Bachelorstudiengänge Physician Assistance (B.Sc.) und Physician Assistance für Gesundheitsberufe (B.Sc.) der Carl Remigius Medical School in Frankfurt am Main. Sie erläutert uns den Beruf des Physician Assistants, dessen Einsatzorte sowie den Berufsalltag.
Wo werden heute Physician Assistants eingesetzt?
In Deutschland sind die über 700 Physician Assistants größtenteils in Kliniken tätig; möglich ist ihr Einsatz jedoch auch in Praxen, medizinischen Versorgungszentren und anderen Einrichtungen.
Dass die Mehrheit in Kliniken arbeitet, liegt zum Teil an den finanziellen Strukturen in unserem Gesundheitssystem, zum anderen auch in der Ablehnung des Berufsbildes durch zentrale Personen der deutschen Ärzteschaft. Außerdem sind an vielen Hochschulen, die Physician Assistants ausbilden, die Curricula überwiegend für den stationären Bereich ausgelegt.
Was sind die Tätigkeitsbereiche von Physician Assistants?
Physician Assistants wirken bei der Erstellung der Diagnose und Behandlungsplänen mit, bei komplexen Untersuchungen sowie bei der Ausführung der Behandlungspläne. Zudem helfen die Physician Assistants bei Eingriffen und bei Notfallbehandlungen. Eine adressatengerechte Kommunikation, Prozessmanagement, Teamkoordination und die Unterstützung bei der Dokumentation sind ebenfalls Tätigkeitsfelder, die den Berufsalltag ausmachen.
Prinzip der Delegation – was bedeutet das?
In Deutschland sind die Physician Assistants dem ärztlichen Dienst zugeordnet und entlasten durch ihre Arbeit Ärzt:innen von Tätigkeiten, die nicht zu deren Kernbereich zählen. Physician Assistants werden dabei nach dem Prinzip der Delegation tätig
Eine rechtlich festgeschriebene Definition für Delegation existiert zwar noch nicht, doch wird darunter die Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten auf nichtärztliches Personal durch die verantwortlichen Ärzt:innen und nach Anleitung und Kontrolle durch diese verstanden. Damit kann die Delegation von der reinen Assistenz (untergeordnete Unterstützung) und der Substitution (selbstverantwortliche und weisungsunabhängige Tätigkeit) abgegrenzt werden. Eine Delegation ist ausgeschlossen, wenn für die betreffende Tätigkeit ureigene ärztliche Kompetenzen notwendig sind.
Dabei muss der bzw. die Ärzt:in sowohl die Voraussetzungen der Delegationsfähigkeit bzgl. der zu erledigenden Tätigkeit (sachliche Delegationsfähigkeit) als auch der Person, an die delegiert wird (persönliche Delegationsfähigkeit), beachten. Letztere ist abhängig von der Qualifikation der Mitarbeiter:innen, an die Aufgaben delegiert werden sollen.
Je qualifizierter Mitarbeiter:innen für die entsprechende Tätigkeit sind, desto mehr Aufgaben können sie übernehmen. Da Physician Assistants zwar als sehr gut ausgebildet gelten, es jedoch noch kein Berufsgesetz existiert, das das Kompetenzprofil rechtsgültig festlegt, müssen Ärzt:innen die Entscheidung zur Delegation von den Fähigkeiten des jeweiligen Physician Assistants abhängig machen.
Darüber hinaus müssen sich Physician Assistants ihrer Verantwortung und Qualifikation bewusst sein. Ist eine Aufgabe nicht delegierbar oder übersteigt die eigenen Fähigkeiten, darf diese Aufgabe nicht ausgeführt werden. Sonst kommt es zu einem Übernahmeverschulden des Physician Assistants. An der Carl Remigius Medical School lernen die Studierenden dazu mehr im Modul „Recht & Ethik“.
Inzwischen haben die Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) auch einen Kompetenzkatalog für die Arbeit der Physician Assistant veröffentlicht, um allen Beteiligten eine Orientierung zu geben.
Was machen Physician Assistants im Alltag?
Um einen Einblick in die Tätigkeiten der Physician Assistants zu bekommen, haben wir an der Carl Remigius Medical School die Logbücher von Studierenden des Studiengangs Physician Assistance für Gesundheitsberufe (B.Sc.) ausgewertet. Hier absolvieren die Studierenden fünf Praktika. In jedem Praktikum haben sie die Anzahl der einzelnen Tätigkeiten eintragen. Die Tätigkeiten orientierten sich dabei am Kompetenzkatalog der BÄK und KBV.
Neben der Kommunikation und Information mit Patient:innen und Angehörigen waren vor allem Tätigkeiten im Kompetenzbereich Eingriffe die häufigsten Aufgabenfelder der Physician Assistants. Dabei unterstützten und assistierten die Studierenden bei Operationen, übernahmen instrumentebezogene Aufgaben oder halfen bei Drainagen und Wundverschlüssen.
Im Bereich der Behandlung waren sie beim Wundmanagement, der Überwachung von Patienten und beim Legen von Zugängen und der Applikation von Infusionen und Medikamenten im Einsatz.

Physician Assistants als Lösung für den Fachkräftemangel?
Physician Assistants sind aufgrund ihrer Ausbildung und ihres Tätigkeitsprofils in der Lage, Ärzt:innen von Routineaufgaben zu entlasten, damit diese verstärkt ihren Kernaufgaben nachkommen können.
Doch in Deutschland existiert momentan konzeptionell noch kein Gesundheitsberuf, der die delegierbaren ärztlichen Leistungen vollständig übernehmen kann. Hier müssen erst noch die Grundlagen für diesen modernen Beruf geschaffen werden.

Prof. Dr. med. Dipl.-Wirt. Med Kirsten Bodusch-Bechstein ist progammverantwortliche Studiendekanin für die Studiengänge Physician Assistance (B.Sc.) und Physician Assistance für Gesundheitsberufen (B.Sc.) an der Carl Remigius Medical School in Frankfurt am Main. Sie ist darüber hinaus für die standortübergreifende Weiterentwicklung dieser Studiengänge zuständig. Als Fachärztin für Chirurgie und Diplom-Wirtschaftsmedizinerin vertritt sie in der Lehre die medizinischen und gesundheitsökonomischen Fächer.
STUDIENGÄNGE PHYSICIAN ASSISTANT

