Das neue Semester ist gerade erst wenige Tage alt, neue Eindrücke und Lerninhalte stehen allen Studierenden bevor, die nächste Prüfungsphase ist noch weit weg. Tatsächlich aber sollte schon frühzeitig an effektives Lernen gedacht werden, damit man vor einer Prüfung nicht zum sogenannten Bulimie-Lernen neigt. Doch wie bleibt das Wissen im Hirn und wird nicht von unwichtigen Songtexten oder „unnützen“ Fakten verdrängt? Prof. Dr. Kirsten Bodusch-Bechstein, Studiendekanin Physician Assistance (B.Sc.) und Physician Assistance für Gesundheitsberufe (B.Sc.), gibt zum Semesterstart einige nützliche Tipps zum effektiven Lernen.
„DAS MERKE ICH MIR SCHON“
Das haben wohl alle schon einmal gedacht. Selbst bei alltäglichen Dingen wie dem wöchentlichen Einkauf passiert es: In einem Moment denkt man an etwas Wichtiges, das man auf keinen Fall vergessen sollte, glaubt, man merke sich das schon und am Ende ist es das Einzige, was man nicht eingekauft hat. Woran liegt das? „Manche Dinge können wir uns einfach schwer merken, weil wir es unserem Hirn nicht leicht genug machen. Wir verpacken Dinge nicht richtig und rufen sie auch nicht richtig ab. Wird etwas nicht zur richtigen Zeit wiederholt und gefestigt, vergessen wir es“, meint Prof. Dr. Bodusch-Bechstein und fügt hinzu: „Das Auge lernt mit. Wenn wir etwas visualisieren, bleibt es leichter im Gedächtnis.“
WIE FUNKTIONIERT DAS GEDÄCHTNIS?
Das Gedächtnis kann mit dem sogenannten Dreispeichermodell erklärt werden. Es gibt den sensorischen Speicher, das Kurzzeitgedächtnis und das Langzeitgedächtnis. Wie viel Wissen wir in jedem dieser Speicher „auffangen“ können und wie lange die Informationen dort gespeichert werden, ist unterschiedlich. Während Infos nach drei bis vier Minuten aus dem Kurzzeitgedächtnis wieder verschwinden, können sie im Langzeitgedächtnis ein ganzes Leben lang erhalten bleiben. Im sensorischen Speicher werden Sinneseindrücke verarbeitet
„Im Kurzzeitgedächtnis ist nur ein begrenzter Speicherplatz vorhanden. Für jedes neu hinzugekommene Element wird ein altes vergessen. Beim Lernen stehen wir also vor der Herausforderung, das Wissen vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis zu übertragen. Sonst ist es wieder weg“, erklärt Bodusch-Bechstein. Wir benötigen also immer wiederkehrende Kontrollen auch nach längeren Zeiträumen, um sicherzustellen, dass die Informationen wirklich im Langzeitgedächtnis verankert sind. „Kurz nach dem Lernen haben wir oft nur das Gefühl, alles verankert zu haben. Oft steckt das Wissen aber noch im Kurzzeitgedächtnis und verschwindet wieder“, so Bodusch-Bechstein.
LEARNING BY DOING
„Tatsächlich behalten wir nur wenig von dem, was wir schlichtweg nur lesen. Wir müssen Wissen aktiv miteinander verknüpfen, Eselsbrücken bauen und Dinge in die Praxis umsetzen. Wir behalten beispielsweise ungefähr nur 50 % von dem, was wir hören und sehen, aber 90 % von dem was wir selber tun“, führt Bodusch-Bechstein aus. In einer Vorlesung nur zuzuhören, reiche somit nicht, um das Wissen im Gehirn zu verankern. Mindestens sollte der Lerninhalt noch mehrmals gelesen werden, ohne dass es auswendig gelernt wird. Denn das Wissen soll später ja auch individuell angewandt werden können. Noch besser bleibe das Wissen daher im Gedächtnis, wenn man den Stoff einmal selbst aufschreibe – am besten in eigenen Worten und nicht nur Bücher oder Skripte abschreiben. Mindmaps oder farbliche Markierungen können dann zusätzlich helfen, den zu lernenden Stoff zu visualisieren. Wiederholungen beugen dem Vergessen vor.
Bilder bleiben im Kopf
Nur Worte aufzuschreiben oder Texte zu lesen hilft beim Lernen nur bedingt, da sich Wörter visuell nicht voneinander unterscheiden. Sie stechen also nicht hervor und bleiben durch die fehlende Individualität nicht so gut im Gedächtnis. Bei Bildern ist das anders – wir nehmen wesentliche Bildeinzelheiten auf und erinnern uns an diese. Grafiken oder die Verbildlichung von komplexen Sachverhalten können das Lernen daher unterstützen.
Beide Hirnhälften nutzen
„Beim herkömmlichen Lernen benutzen wir nur unsere linke Gehirnhälfte, die für Sprache, Logik und Zahlen zuständig ist“, erklärt die Studiendekanin. Das Ziel sollte daher sein, eine Lernstrategie zu entwickeln, die auch die rechte Hirnhälfte beansprucht. Diese ist für Bilder, Farbe, Phantasie und Musik zuständig. Verknüpfen wir beide Hirnhälften beim Lernen und die Inhalte mit verschiedenen Reizen für unsere Wahrnehmung, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Lernstoff im Gedächtnis bleibt.
Wichtig für die Speicherung von Informationen im Hirn sind drei Dinge:
- Inhalt der Information
- Ort der Information
- Assoziation
Stellen wir also einen Bezug von neuem Wissen zu bereits vorhandenem Wissen her, fällt es uns leichter, die neuen Dinge zu behalten. Auch Assoziationen von Text mit Bildern, Musik oder Farben helfen dabei, denn unzusammenhängende Einzelinformationen werden wieder vergessen. Sogenannte Eselsbrücken helfen, Wissen zu verankern und später wieder abzurufen. „Je merkwürdiger eine bildhafte Vorstellung ist, desto merk-würdiger ist sie. Bilder lassen sich am besten abspeichern wenn sie übertrieben, absurd, erotisch, vulgär, sinnlich, bewegt, farbig, phantasievoll und klar sind“, so Bodusch-Bechstein. Ihre Tipps zum effektiven Lernen:
- Lernen durch bildhafte Vorstellungen
- Lernen durch Organisation des Wissens
- Lernen durch Verarbeitung à Lernen ist ein Prozess
- Lernen durch Analogien
DIE LOCITECHNIK
Die sogenannte Technik der Orte sei laut der Studiendekanin vor allem für medizinische Inhalte gut geeignet, da sie sich besonders bei umfangreichem und komplexem Lernstoff anbietet. Bei der Locitechnik werden Informationen mit einem gut bekannten Ort verknüpft und können somit später bei der Erinnerung an diesen Ort gut abgerufen werden. Diese Orte sollten gut voneinander unterscheidbar sein, eine subjektive Bedeutung für die Lernenden haben und visuell auffällig sein.
Jede Lerntechnik muss natürlich geübt werden und nicht jede Methode ist für alle etwas. Wichtig ist vor allem: Wiederholung und nicht auf den letzten Drücker anfangen, denn dann bleibt das Wissen nicht im Gedächtnis.