Im Lehrgang „Einsatzmedizin – Überleben – Taktik 18F“ trainieren die Teilnehmenden während einer 35 Stunden dauernden Übung in einer simulierten Großschadenslage souverän notfallmedizinische Hilfe zu leisten. Außerdem spielen die Kommunikation und Koordination der Einsatzkräfte eine zentrale Rolle in dieser Fortbildung. Warum das Üben der Kommunikation so wichtig ist, erklären uns Dr. Dr. Philipp Merkt, Leiter Fachgruppe Notfallmedizin und Dr. Sophia Wilk-Vollmann, Ärztin am Bundeswehrkrankenhaus Berlin.
Bereits 2003 erließ Hessen als erstes Bundesland ein medizinisches Katastrophenschutzgesetz. Das Gesetz sieht eine szenariogestützte und berufsübergreifende Übung in der katastrophenmedizinischen Rettungskette als erforderlich, um eine möglichst optimale Versorgung im Katastrophenfall zu gewährleisten.
Allerdings werden medizinische Fachkräfte während ihrer Ausbildung selten oder gar nicht mit dem Faktor Mensch und in Resilienz in der Akutmedizin geschult. Vor diesem Hintergrund hat die Carl Remigius Medical School 2018 den Lehrgang „Einsatzmedizin – Überleben – Taktik 18F“ ins Leben gerufen.
„Aufgrund der ständig wachsenden Bedrohungen durch Großschadenslagen, z. B. Terroranschläge, Naturkatastrophen o. Ä., ist es notwendig, dass das Personal mit medizinischem Hintergrundwissen aus Polizei, Rettungsdienst, Militär oder Hilfsorganisationen eine professionelle Schulung in taktischer Einsatzmedizin erhält.“
Dr. Dr. Philipp Merkt
Leiter Fachgruppe Notfallmedizin
Untersuchung der Belastbarkeit von Übungsteilnehmern
Ein Forschungsprojekt unter der Leitung von Dr. Dr. Philipp Merkt befasst sich während des Lehrgangs mit dem Thema „Eine prospektive Studie zur Untersuchung der Stressresilienz in besonderen Einsatzlagen am Lehrgang Einsatzmedizin 18F mithilfe ELISA-gestützter Cortisol- und α-Amylase-Messung.“
Sowohl den zivilen als auch militärischen Teilnehmenden wurden bei Übungsszenarien mit einer Dauer von 60 Stunden Cortisol und α-Amylase mittels Speichelprobe entnommen. Außerdem wurden Blutzucker, Laktat, Base Excess, Pulsfrequenz und Blutdruck erfasst. Das subjektive Stressempfinden wurde mittels eines Fragebogens erhoben.
Sowohl Cortisol als auch α-Amylase und der Blutdruck sind gut dazu geeignet, das Stressniveau und die Widerstandsfähigkeit sichtbar zu beschreiben.
Die Lehrgangsteilnehmenden durchliefen verschiedene dynamische Lagen, in denen sie unterschiedliche Belastungsspitzen zeigten.
Mit dem Ansteigen der laborchemischen und klinischen Stressparameter ließ sich durch die externen Beobachter:innen ein deutliches Versagen in Abläufen der Kommunikation und Patientendisposition feststellen.
Gleichzeitig wurde eine prospektive Studie durchgeführt, die sich mit der Deskription des Funkverkehrs unter dem Aspekt der Belastung und des Kommunikationsverhaltens befasste. Hier zeigte sich, dass die Übermittlung der Informationen an die übergeordnete Führungsstelle einen störungsanfälligen Abschnitt in der Patientenversorgung darstellt.
Äußere Faktoren wie Müdigkeit, Hunger und unbekannte Teammitglieder verstärkten den Informationsverlust.
„Sowohl die Dokumentation durchgeführter Maßnahmen als auch die finale Disposition der Patienten waren mit steigender Anzahl an Verwundeten deutlich anfälliger für kritische Zwischenfälle. Auch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure wie Bundeswehr, Feuerwehr und Polizei erfordert ein besonderes Maß an Organisation, denn die umfassende medizinische Ausbildung allein ist kein Garant für eine erfolgreiche Patientenversorgung.“
Dr. Sophia Wilk-Vollmann
Ärztin am Bundeswehrkrankhaus Berlin und Dozentin in der Fachgruppe Notfallmedizin der CRMS
Die Übermittlung von Informationen an eine übergeordnete Führungsstelle stellt also eine Schwachstelle in der präklinischen Patientenversorgung dar. Wer sich auf das „Stille Post“-Prinzip verlässt, geht ein großes Risiko ein.
Gestützt auf diese Forschung erarbeitet die Fachgruppe Notfallmedizin der Carl Remigius Medical School zusammen mit der Bundeswehr ein neues, praxiserprobtes Schema, um die Patientensicherheit zu erhöhen und die Zahl der Zwischenfälle zu minimieren. Dazu entwickeln sie gemeinsam einheitliche Ausbildungskonzepte und etablieren Versorgungsschemata.
„Bereits in der Ausbildungsphase sollten Team- und Kommunikationstrainings implementiert sein und die Kenntnisse regelmäßig in praktischen Anwendungen aufgefrischt werden. Debriefings sollten zum Arbeitsalltag gehören und nicht ausschließlich in besonderen Fällen zur Anwendung kommen. Die Routine, die sich mit dieser Verfahrensweise entwickelt, hilft, bei schwerwiegenden Zwischenfällen oder Unstimmigkeiten im Team kritische Situationen zu thematisieren und Lösungen zu finden, aber auch, die Resilienz im Team zu stärken.“
Richtiges Kommunizieren will geübt sein
Die Kommunikation in der prähospitalen Patientenversorgung hat einen wesentlichen Einfluss auf die Patientensicherheit.
Insbesondere die Interaktion zwischen dem ärztlichen und nichtärztlichen Personal weist erkennbare Defizite auf. Unübersichtliche und belastende Arbeitsabläufe mit einem Risiko für die eigene Sicherheit, bergen ein hohes Risiko für Zwischenfälle.
Leider hat Kommunikation in der Ausbildung von ärztlichem und nicht-ärztlichem Personal bisher einen geringen Stellenwert.
„Ein gut ausgebildetes Team verhindert die Häufigkeit von Zwischenfällen. Trainings in Kommunikation, unterstützt durch Simulationsverfahren, sollten unbedingt regelmäßig wiederholt werden. Ein besonderer Fokus kann dabei auf der Ausbildung in anspruchsvollen Übungslagen mit körperlicher und psychischer Belastung liegen.“
Dr. Sophia Wilk-Vollmann
Ärztin am Bundeswehrkrankhaus Berlin und Dozentin in der Fachgruppe Notfallmedizin der CRMS
Dr. Sophia Wilk-Vollmann
Dr. Wilk-Vollmann hat in Jena Medizin studiert und arbeitet heute als Ärztin am Bundeswehrkrankenhaus in Berlin. Während ihrer Auslandseinsätze konnte sie viel Erfahrung im Bereich der medizinischen Notfallversorgung in Krisengebieten sammeln, die sie gern an ihre Studierenden und Lehrgangsteilnehmer:innen weitergibt.
Dr. Dr. Philipp Merkt
Dr. Merkt ist Leiter der Fachgruppe Notfallmedizin und Studiengangsleiter des Studiengangs Krisen- und Notfallmanagement (M.Sc.).