Portrait von Peter Beuter

In einer Notfallsituation kann jeder helfen

Im vergangenen Jahr gab es bei Unfällen im deutschen Straßenverkehr knapp 400.000 Verletzte. Auch im Haushalt, bei der Arbeit oder in der Schule passieren jährlich Millionen von Unfällen. Mit dem heutigen Welt-Erste-Hilfe-Tag will die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung auf die Bedeutung von Erster Hilfe in Notfallsituationen aufmerksam machen. Wir haben mit Peter Beuter, dem stellvertretenden Leiter der Fachgruppe Notfallmedizin, gesprochen. Im ersten Teil unseres Interviews erklärt er, warum Erste Hilfe uns alle angeht. In Teil zwei wird er von seinem persönlichen Weg zur Notfallmedizin und den Aufgaben der Fachgruppe an der Carl Remigius Medical School berichten.

In Schulen und Unternehmen gibt es geschulte Ersthelfer und der Rettungsdienst ist in den meisten Bundesländern innerhalb von acht bis zwölf Minuten vor Ort. Wie wichtig ist es dennoch, dass jeder von uns Erste Hilfe leisten kann?

Die gesetzliche Hilfsfrist von acht bis zwölf Minuten kann in akuten Notfällen schon zu lange sein: Beispielsweise bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand, bei dem bereits nach vier Minuten die ersten Gehirnzellen zerstört sind. In solchen Fällen kann jeder von uns helfen. Wir können mit unserem Wissen aus einem Erste-Hilfe-Kurs unterscheiden, ob Verletzungsmuster kritisch sind, und die betroffene Person mithilfe des ABCDE-Schemas so lange versorgen, bis der Rettungsdienst eintrifft. Darüber hinaus helfen uns Erste-Hilfe-Kenntnisse, die Hinweise und Anweisungen, die wir über die Notrufnummer bekommen, zu befolgen.

Die meisten von uns haben schon einmal einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert, beispielsweise als Fahrschüler. Oft liegt diese Schulung aber schon einige Jahre zurück und ist vielleicht in Vergessenheit geraten. Was sollten wir tun, wenn wir uns in einer Notfallsituation nicht sicher sind, wie genau wir helfen können? Wie gefährlich kann „falsche“ Erste Hilfe sein?

Meiner Meinung nach gibt es keine „falsche“ Erste Hilfe. Stellen Sie sich zum Beispiel einen Motorradfahrer vor, der verunglückt ist und nun bewusstlos neben der Straße liegt. Wenn ich hier als Ersthelfer nichts unternehme, kann er an seinem Erbrochenen ersticken. Nehme ich ihm aber seinen Helm ab und bringe ihn in eine stabile Seitenlage, habe ich bereits viel für ihn getan.

In einer Notfallsituation kann jeder helfen – auch wenn man sich unsicher ist: Unternimmt man nämlich nichts, hilft man der betroffenen Person nicht. Versucht man aber, ihr zu helfen, kann man nichts schlechter machen.

Welche Erste-Hilfe-Kenntnisse sollte jeder von uns haben und wie können wir diese auffrischen?

Das Wichtigste ist es meiner Meinung nach, die Notrufnummer 112 zu kennen. Darüber hinaus sollte man über einige Basiskenntnisse der Erstversorgung verfügen: Man sollte eine Wiederbelebung, also eine Herzdruckmassage, durchführen und eine starke Blutung versorgen können. Man sollte erkennen können, ob die betroffene Person gerade dabei ist, das Bewusstsein zu verlieren, und sie in eine stabile Seitenlage bringen können.

Diese Kenntnisse lassen sich in einem Erste-Hilfe-Kurs leicht auffrischen. Schwieriger ist es dagegen, sie auch in einer Ausnahmesituation und unter Stress anwenden zu können. Ich finde es deshalb sinnvoll, den Erste-Hilfe-Kurs alle zwei Jahre zu wiederholen, um die Abläufe möglichst gut einzustudieren.

Sie bilden Studierende und medizinisches oder therapeutisches Fachpersonal aus, in Notfallsituationen Menschen zu helfen. Wie greifen Erste Hilfe und Notfallmedizin ineinander?

Die Erste Hilfe ist die Basis der Notfallmedizin. Gleichzeitig verbessert und verfeinert die Notfallmedizin die Kenntnisse und Fähigkeiten, die unsere Kursteilnehmer schon aus der Ersten Hilfe kennen. Auch deshalb ist die Notfallmedizin ein modularer Bestandteil vieler unserer Studiengänge. Denn wir möchten, dass unsere Studierenden in ihrem späteren Berufsleben auf Notfallsituationen, wenn beispielsweise ein Patient in der Arztpraxis bewusstlos wird, vorbereitet sind.