junge Menschen beim Sport mit Gewichten|Portrait von Michael Jung|Junge Menschen beim Sport mit Gewichten im Fitnessstudio.

Der „Me-Moment“ – wie hält man sich selbst gesund? Expertentipps von Prof. Dr. Michael Jung 

Der „Me-Moment“ – wie hält man sich selbst gesund?

Expertentipps von Prof. Dr. Michael Jung

Langes Sitzen im Büro oder an einem anderen Arbeitsplatz, teilweise auf unbequemen Stühlen – für viele Menschen ist das Alltag. Neben Entspannung für den Kopf durch diverse Techniken, Lesen oder andere Hobbies benötigt der Körper einen Ausgleich zur täglichen Arbeit – ganz gleich, ob jemand lange sitzt oder schwere, körperliche Arbeit verrichtet. Sport oder andere Tätigkeiten sind nicht immer mit dem Tagesablauf eines Menschen vereinbar, doch wie schafft man es trotzdem, diesen „Me-Moment“ zu schaffen? Studiengangsleiter des Masters Medizinpädagogik Prof. Dr. Michael Jung ist unter anderem ausgebildeter Physiotherapeut und hat einige Tipps, wie man sich selbst gesund hält.

Wie wichtig ist der körperliche Ausgleich zur täglichen Arbeit in der heutigen Zeit? Ist es wichtiger geworden oder war das schon immer so?

Durch die Nutzung so vieler technischer Möglichkeiten haben wir uns das Leben in den letzten 10-15 Jahren deutlich bequemer gemacht. Beispielsweise mit Smart Home Systemen oder dem Einsatz von Alexa können uns in eine Komfortzone bringen, welche körperliche Probleme nach sich ziehen kann. Und dies nicht nur bei Berufstätigen: Bereits bei Grundschulkindern sehen wir eine Zunahme an Adipositas und neuerdings Bluthochdruck. Um dem Gegenzusteuern halte ich einen körperlichen Ausgleich für unbedingt erforderlich.

Portrait von Michael Jung
Prof. Dr. Michael Jung

Stimmt es, dass Menschen mit Bürotätigkeiten schneller gesundheitliche Probleme, beispielsweise im Rücken, bekommen?

Entwicklungsgeschichtlich betrachtet ist Sitzen natürlich nicht mit Flucht verknüpft, man kann also bequem den Muskeltonus absinken lassen. Sitzen auf einer einigermaßen großen Unterstützungsfläche mit Möglichkeiten sich anzulehnen ist ebenfalls dafür verantwortlich, dass der Muskeltonus heruntergefahren wird, d.h. der Rumpf und damit die Wirbelsäule (auch die Bandscheiben) werden nicht mehr adäquat muskulär gesichert. Da wir eine bevorzugte Händigkeit haben und unseren Arbeitsplatz gerne entsprechend einrichten, ist die tagtägliche Asymmetrie vorprogrammiert. Diese, wir sagen hypotone asymmetrische Grundhaltung im Sitz kann bei längerer Einwirkzeit zu gesundheitlichen, meist orthopädischen Problemen führen. Mit weiteren ungünstigen Faktoren, wie beispielsweise ungesunder Ernährung können zusätzliche Probleme entstehen.

Mit dem Begriff „Me-Moment“ ist häufig eine entspannende Auszeit (meist allein) gemeint, die man sich selbst gönnt, um abzuschalten. Wie verstehen Sie den „Me-Moment“ aus medizinischer Sicht?

Ich möchte es so interpretieren, dass man in diesem Moment etwas für sich tut: Dies können sportliche Betätigungen oder Entspannungsübungen ebenso wie ein paar Stunden Wellness sein. Ob dies allein sein muss, hängt etwas von den Vorlieben ab. Wir wissen ja, dass Sozialkontakte im Freundeskreis auch protektive Faktoren sind.

Wie häufig sollte man einen körperlichen Ausgleich schaffen, um sich physisch gesund zu halten?

Der Empfehlung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) von 2016 möchte ich mich anschließen: Erwachsene sollen demnach mind. 150 Min./Woche ausdauerorientierte Bewegung mit moderater Intensität oder mind. 75 Min./Woche ausdauerorientierte Bewegung mit höherer Intensität durchführen. Sie können auch ausdauerorientierte Bewegung in entsprechenden Kombinationen beider Intensitäten durchführen und dabei die Gesamtaktivität in mindestens 10-minütigen einzelnen Einheiten verteilt über Tag und Woche sammeln. Ich gebe aber auch zu, dass ich die 150 Min./Woche selten erreiche…

Gibt es Übungen, die Sie empfehlen und die auch in einen stressigen Studien- oder Berufsalltag integriert werden können?

Mittlerweile gibt es so viele Apps und Angebote, die einen erinnern, anleiten und sogar über die Webcam kontrollieren können, um ein Feedback zu geben und Daten zu sammeln. Mein Lieblingsbuch für diejenigen, die zuhause üben wollen, ist von Mark Lauren „Fit ohne Geräte“.

Im Büro reicht es schon aus, die Treppe anstelle des Aufzugs zu benutzen, ab und an einige Tätigkeiten im Stehen zu verrichten und sich immer wieder zu erinnern, gerade auf dem Bürostuhl zu sitzen, ohne sich hinten oder seitlich anzulehnen.