Sitzende Zuhörer von hinten. Im Hintergrund ein Rednerpult

Erstes ZukunftsCamp in Idstein

Idstein – Mit aktuellen und zukünftig denkbaren Veränderungen unserer Arbeitswelt beschäftigte sich das ZukunftsCamp von Carl Remigius Medial School und Hochschule Fresenius.

Ganz unterschiedliche Aspekte spielen beim rasanten Wandel unseres beruflichen Alltags eine entscheidende Rolle. Bei der Beschäftigung mit dem Thema tauchen immer wieder die Begriffe Digitalisierung, demographischer Wandel, Selbstbestimmung, Internationalität, lebenslanges Lernen und ortsunabhängiges Arbeiten auf. Sie setzten auch die Schlaglichter beim ersten „ZukunftsCamp“ von Hochschule Fresenius und Carl Remigius Medical School in Idstein. Initiiert und moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Lilia Waehlert, Prodekanin des Fachbereichs Gesundheit & Soziales der Hochschule Fresenius am Standort Frankfurt. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion und in so genannten Working Spaces diskutierten die gut einhundert Teilnehmer, welche Faktoren und Trends die Arbeitswelt und die Zusammenarbeit langfristig beeinflussen und welche Konsequenzen das für uns als Arbeitnehmer hat. Außerdem beleuchteten Vertreter aus dem Gesundheitswesen, der Wirtschaft und Wissenschaft moderne Methoden und Konzepte zur Gestaltung der Arbeit sowie neue Ansätze der Unternehmensführung.

Frau Waehlert mit einem Headsetmikrofon an einem Rednerpult.
Prof. Dr. Engelsleben mit Mikrofon in der Hand bei einem.

Hochschulpräsident Prof. Dr. Tobias Engelsleben erinnerte in seiner Begrüßungsansprache an die verschiedenen Revolutionen, die die Arbeitswelt schon hinter sich hat. „Mit der Digitalisierung erleben wir aktuell wieder eine sehr große Umwälzung. Wie zuletzt vielleicht bei der industriellen Revolution hören wir wieder die Frage: Gehen dadurch Jobs verloren? Die Historie widerlegt das und ich bin auch dieses Mal überzeugt, dass wir vielmehr fragen müssen, inwiefern die digitale Transformation Berufsbilder und Jobs verändert.

“ Aus einer Kienbaum-Studie zitierte er, dass 65 Prozent unserer Kinder 2035 in Berufen arbeiten, die es heute in dieser Form noch gar nicht gibt. „Und ich möchte noch weitergehen: 65 Prozent der Jobs werden 2035 in Unternehmen geleistet, die es heute noch gar nicht gibt.“ Daraus leitet Engelsleben auch eine zentrale Herausforderung für Bildungsdienstleister ab. „Als Hochschule müssen wir uns dem Wandel stellen und ihn aktiv mitgestalten. Auch Studiengänge müssen sich verändern und auf die Bedürfnisse des Marktes zugeschnitten sein. Wir müssen unsere Studiengänge digitalisieren, um dadurch in der Lage zu sein, Wissensbestandteile und Kompetenzen lebensbegleitend bereitzustellen.“ Einmal in der Ausbildung oder im Studium Gelerntes reicht heute nicht mehr aus, um 35 Jahre im Beruf zu bestehen. Nanodegrees werden daher an Bedeutung noch zunehmen. „Lernen wird sich zunehmend räumlich separieren“, so Engelsleben. „Lernen-to-go ist ein interessantes Stichwort. Gemeint ist damit, dass Wissen häppchenweise und ortsunabhängig vermittelt wird – zu Hause, unterwegs, selbst am Arbeitsplatz.“ Technisch ist das dank Virtual Classroom und E-Books kein Problem mehr. „Wenn der Wissenserwerb bereits dezentral stattgefunden hat, ändert sich auch die Rolle einer Hochschule. Aus dem Lernort wird Begegnungsort, um hier Lernergebnisse zu reflektieren und mit anderen zu diskutieren.“

Sitzende Zuhörer von hinten. Im Hintergrund ein Podium mit Stehtischen, auf denen Männer und Frauen stehen während, sie im Dialog sind.

Unternehmensberater Dr. Andreas Zeuch ist ein Verfechter von Selbstorganisation und Mitbestimmung. In seinem Impulsvortrag „Keine Macht für niemand!“ präsentierte er als Erfolgsbeispiel die Geschichte des Siegener Unternehmens Autowelt Hoppmann. Nach dem überraschenden Tod des Gründers stand sein Sohn Klaus Hoppmann vor der Frage, wie er das Unternehmen weiterführen soll. Er entschied sich in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts für ein sehr demokratisches Modell: Schritt für Schritt führte er Erfolgsbeteiligung, Mitbestimmung bei strategischen Entscheidungen und Selbstbestimmung bei der Organisation der täglichen Arbeit ein. Zuletzt wandelte er das Unternehmen in ein soziales Stiftungsunternehmen um, um der Firma das Betriebsvermögen zu sichern. Ein Einzelfall? Zeuch kennt noch andere Beispiele und führte aus: „Es gibt natürlich keine Garantie und das Modell ist auch nicht auf alle Bereiche übertragbar. Ich habe zurzeit aber den Eindruck, dass sich einiges tut und viele Unternehmen, darunter auch große Konzerne, über selbstbestimmtes Arbeiten und Partizipation nachdenken. Das Thema ist auf jeden Fall branchen- und größenunabhängig.“ Umgekehrt warnt Zeuch vor einer „Change-Müdigkeit“, wenn vieles angekündigt, dann aber nicht umgesetzt wird.

„Wichtig ist, dass sich Organisationen nicht überfordern“, bestätigte Ingrid Blumenthal, Geschäftsführerin der Stada-Tochter Aliud Pharma, in der Podiumsdiskussion. „Die raschen Veränderungen erzeugen bei den Mitarbeitern Unsicherheit. Deshalb müssen die HR-Abteilungen den Change gut begleiten.“ Von zentraler Bedeutung ist das gegenseitige Vertrauen, dass Arbeitgeber und Angestellte sich entgegenbringen, ganz wichtig aber auch das Vertrauen des Mitarbeiters in die eigenen Kompetenzen. Sie müssen mehr Verantwortung übernehmen und höhere Voraussetzungen erfüllen.

Christine Fischer, Leiterin Geschäftsfeldentwicklung bei SAP betonte den Faktor Zeit: „Man darf die Veränderungen nicht zu schnell herbeiführen wollen. Man muss bedenken, dass Angestellte möglicherweise ein ganz neues Profil bekommen. Dafür müssen wir sie aber auch qualifizieren und gegebenenfalls auch mit neuen Technologien vertraut machen. Und: Der CEO kann den Kulturwandel nicht einfach verordnen. Der Vorstand muss das vorleben, das darf kein Feigenblatt sein.“

Traditionell im Hintertreffen sind in diesen Fragen klassische Gesundheitsbetriebe, davon berichtete Julia Bohlscheid, ehemalige Studentin an der Hochschule Fresenius und heute Managerin im Gesundheitswesen. „Das Hierarchiedenken ist hier noch fest verankert, Change-Prozesse laufen langsamer ab. Es gibt aber natürlich auch viele Bereiche – wie die Pflege – da funktioniert eigenständiges Arbeiten nicht.“ Sie sprach aber auch davon, dass es hinsichtlich der Bereitschaft für Neuerungen und Veränderungsprozesse Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Mitarbeitern gibt.